Der französische Soziologe und Wissenschaftstheoretiker Bruno Latour hat zweitausend Jahre Christentum auf seine Art und Weise gefeiert: Er hat ein Buch mit dem Titel „Jubilieren. Über religiöse Rede“ (Berlin 2011) geschrieben. Darin sucht er „den Punkt, an dem sich im Umgang mit den versteinerten kirchlichen Sprachspielen die Chance auftut, das evangelische Plasma anders zu formen“.
Das Zentrum für evangelische Predigtkultur hatte Bruno Latour eingeladen und ihn gebeten, aus seinem Buch zu lesen. Er kam nach Wittenberg und schlug während des Gespräches vor, dass man doch für eine Zeit lang in der Predigt auf große theologische Worte verzichten könne. Dieser Vorschlag gab den Impuls für unseren homiletischen Fastenaufruf im Zusammenhang der Fastenaktion „Sieben Wochen ohne falsche Gewissheiten“.
Sie als Teilnehmende können die Erfahrung machen, wie es ist, wenn man automatisch aufkommende Formulierungen, die schnell zu Hülsen werden, nicht zur Verfügung hat. In einem ersten Schritt werden Ihnen derartige Worte fehlen. Es gäbe Leerstellen zumindest gedanklicher Art. Die sollten Sie genießen. In einem zweiten Schritt müssten Sie Ersatz suchen, Umschreibungen finden, provisorische Formulierungen; selbst wenn die etwas ungelenk wären, so hätten sie doch mit Ihnen etwas zu tun. Über den Trick des Verzichtes großer Worte könnte sich die Sprache Ihrer Predigt verflüssigen und Stück für Stück würde sich in Ihren Predigten eine neue Sprechweise einfinden.
Latour nennt dies Verfahren „getreue Erfindung“ und greift damit die Erfindungskraft biblischer Texte selbst auf. Doch lesen Sie selbst. Wir haben eine kurze Auswahl der wichtigsten Passagen seines Buches „Jubilieren“ zusammengestellt.
(Dietrich Sagert)
Wollte man, wovon einst die Rede war, wenn man „Gott“ sagte, wirklich in heutiges Vokabular übersetzen, müsste man nicht nach einem neuen Wesen suchen, das ihn ersetzen könnte, sondern eher nach etwas, das allen dasselbe Gefühl unbestreitbarer Vertrautheit verschafft. Für die Mehrzahl unserer Zeitgenossen wären Ausdrücke wie „Nichtexistenz Gottes“, „Banalität der Welt“, „gleichgültige Materie“, „kommerzieller Konsum“ treffliche Synonyme, da mit ihnen dieselbe Evidenz, dieselbe Alltäglichkeit, dieselbe Eingängigkeit, derselbe feste Halt verbunden sind. Die religiöse Rede bemächtigt sich unterschiedslos des einen wie des anderen, „Gottes“ wie „Nichtgottes“, denn anfangs benötigt sie einen akzeptierten Anhaltspunkt, den sie sodann schüttelt und erschüttert, um schließlich eine ganz andere Bedeutung aus ihm herauszuholen. Nicht die als Ausgangspunkt gewählte Vokabel schafft daher den Sinn des Wortes G., sondern die ihm nachfolgende Erschütterung. [13f.]
Als man aufhörte zu übersetzen, hörte man auf zu bewahren. Das hat die Wortmühle, die Gebetsmühle zerstört. Diese Fehlentwicklung müssen wir rückgängig machen, um zu sehen, ob die Maschine, die Religionsmühle, nicht doch zu reparieren ist. [26]
Die Triebfeder der Maschine kann doch nicht so kompliziert sein: „Vermeiden Sie das Paraphrasieren ebenso wie das Verfehlen des Themas“ – das hört jeder Schüler aus dem Mund seines Lehrers, wenn er zum ersten Mal einen Text zu kommentieren hat. Entweder tritt man ihn breit, oder man wiederholt ihn; entweder sagt man dasselbe ein zweites Mal, oder man sagt mit anderen Worten dasselbe – sofern man sich nicht in müßigen Erörterungen ergeht. Kein Interpretieren ohne Erneuern. Kein Wort wird als solches aufgegriffen, der Sinn jedoch zirkuliert von neuem. So wäre „hilfreicher Gott“ in ein heute verständliches Idiom zu übersetzen als „selbstverständlicher Rahmen des gewöhnlichen Alltags“; die Vokabel „Gott“ zu wiederholen wäre bloß Paraphrase und Wiederkäuen, da der Sinn dessen, was man sagen wollte, verloren ist: die sichere Richtschnur unseres gemeinsamen Lebens. Im Glauben, treu zu sein, haben wir den Sinn verraten. Wir haben das zweite Gebot übertreten: „Du sollst den Namen des Herrn, deines G., nicht freventlich aussprechen.“ Wer würde sich diesem schrecklichen Gebot widersetzen? Wie sollten wir nicht vor dem Frevel, vor der Nichtigkeit unserer Anrufungen erzittern, wenn wir uns bei der Übersetzung, bei der Wiederholung, bei der Erneuerung des heiligen Namens geirrt hätten? Wenn, da unsere Zunge uns den Dienst versagte, wir „wiedergekäut“ statt „wiederholt“ hätten, „paraphrasiert“ statt „kommentiert“, das (scheinbar) angemessene Wort mit dem (wirklich) angemessenen verwechselt hätten, das (wirklich) unangemessene Wort mit dem (scheinbar) unangemessenen? „Schön und gut“, erwidert kühl der Schüler, der seinen Text zu kommentieren hat, „aber wie soll ich es anstellen, um die nichtige Paraphrase von der fruchtbaren Interpretation zu unterscheiden?“ Schweigen des Lehrers. Es gibt keine Regel. Keinen Trick. Man muß jedes Mal dasselbe Risiko eingehen, jedes Mal ein anderes. Der Unterschied zwischen Wiederkäuen und Wiederholen ist so fein, daß nur ein Engel hindurchfindet, und in diese winzigen Nuancen kann auch der Teufel schlüpfen: lapsus calami.
Und wenn ich wirklich verraten hätte? Ich behaupte, mich streng an den Sinn gehalten zu haben, den ich aufgenommen, aus anderen Formeln zusammengesetzt habe, aus anderen Worten, die nicht nur verschieden sind von den ursprünglichen, sondern ihnen sogar entgegengesetzt; ich berufe mich auf den Unterschied zwischen dem Buchstaben, der tötet, und dem Geist, der lebendig macht, aber wenn ich die wörtliche Wiederholung derselben Vokabeln aufgebe, wenn ich das feste Geländer loslasse, wie kann ich da sicher sein, daß die Transformation, die ich vollzogen habe, den Sinn unangetastet ließ? Und wenn ich den Sinn unterwegs verloren hätte, einem Schatten nachgejagt wäre, vom Geist wie vom Buchstaben abgeirrt? Mir hätte es an Unterscheidungskraft gemangelt. Gerade jetzt hätte ich den Namen G. umsonst angerufen. Sollte ich wahrhaft Ärgernis gegeben haben, bin ich den Strick nicht wert, an dem ich baumeln werde.
Ich kann mich nicht aus der Schlinge ziehen, indem ich so tue, als gäbe es sichere Übersetzungsregeln, noch umgekehrt, als handle es sich um ein unergründliches, auf ewig unaussprechliches Geheimnis, das höheren Instanzen anheim zu stelle wäre: Ich muß dahin gelangen zu verstehen, was eine Transformation durch Übersetzung, die den Sinn unversehrt läßt, eigentlich bedeutet. Das ist der Preis für die Reparatur der Maschine. [28ff.]
Glücklicherweise verfügen wir alle über die tägliche Erfahrung mit Gesprächsformen […]. Stellen Sie sich einen Liebenden vor, der die Frage „Liebst du mich?“ mit dem Satz beantwortet: „Aber ja, du weißt es doch, ich habe es dir letztes Jahr schon gesagt.“ (Man kann sich sogar vorstellen, daß er diesen denkwürdigen Satz aufgezeichnet hat und sich damit begnügt, jene Frage mit dem Druck auf die Replay-Taste seines Aufnahmegeräts zu beantworten, um so den unbestreitbaren Beweis dafür zu liefern, daß er wahrhaft liebt…) Wie könnte er entschiedener bezeugen, daß er endgültig aufgehört hat zu lieben? Er hat das liebevolle Ersuchen als Informationsfrage aufgefaßt, ganz als hätte er vor, mittels eines Dokuments, einer Karte, durch den Zeitraum hindurch einen Weg zum entlegenen Territorium jenes Tages zu zeichnen, an dem er offiziell seine Liebe erklärte.
Angesichts dieser Antwort verstünde jeder unparteiische Beobachter, daß der Liebhaber nichts verstanden hat. Denn die Freundin fragte ihn ja nicht, ob er sie geliebt habe, sondern ob er sie jetzt liebe. Dies ist ihr Ersuchen, ihre flehentliche Bitte, ihre Herausforderung.
Es ist durchaus möglich, daß der Liebende, sollte ihm der geforderte Sprechakt gelingen, einen Satz zur Antwort gibt, der wortwörtlich dem entspricht, den er tatsächlich ein Jahr zuvor äußerte. Vergliche man die beiden Aufzeichnungen, ließe sich formal kein Unterschied machen: Sein Informationsgehalt, wie die Informatiker sagen würden, wäre gleich Null. Umgekehrt mag es dem Liebenden gelingen, dieselbe Liebe nicht durch Wiederholung derselben Formel, sondern durch etwas ganz anderes auszudrücken, das mit dem Satz, auf den er sich beziehen soll, keinerlei Ähnlichkeit hat: durch eine Geste, eine Aufmerksamkeit, einen Blick, einen Scherz, ein Zittern in der Stimme. In beiden Fällen ist die Relation nicht mehr die einer Karte zu einem Territorium, zu dem sie über eine Kette von Transformationen führt, die eine konstante Größe enthalten. Entweder dissoziiert diese Relation Sätze, die sich wortwörtlich gleichen, aber infolge der Entwicklung, die von ihnen Besitz ergriffen hat, ganz Unterschiedliches besagen, oder sie macht divergierende Äußerungen durch Sprechformeln synonym, die einander keineswegs gleichen. Sobald man von Liebe spricht, gehen Buchstabe und Geist unterschiedliche Wege.
Und so hält sich die Liebende auch nicht an die Sätze selbst, weder an ihre Ähnlichkeit noch an ihre Unähnlichkeit, sondern an den Ton, an die Art und Weise, in der er, der Liebhaber, dieses alte, verbrauchte Thema aufgreift. Mit bewundernswerter Präzision, sekundengenau wird die Liebende durchschauen, ob das alte Lied den neuen Sinn eingefangen hat, den sie sich erhoffte, ob sie augenblicklich die Liebe ihres Liebhabers erneuert hat, oder ob die abgenutzten Worte den Überdruß an einer Beziehung durchscheinen lassen, die seit langem zu Ende ist.
Der Satz transportiert keinerlei Information, und doch fühlt sie, die Liebende, sich hingerissen, verwandelt, nahezu erschüttert, verändert, wiederhergestellt – oder im Gegenteil distanziert, geknickt, vergessen, abgelegt, gedemütigt. Folglich werden tagtäglich Sätze ausgesprochen, deren Hauptzweck nicht darin besteht, Referenzen nachzuzeichnen, sondern etwas ganz anderes hervorzubringen: Nahes oder Fernes, Nähe oder Distanz. Wer hätte diese Erfahrung noch nicht gemacht? [39ff.]
Die Mönche des Dominikanerklosters San Marco in Florenz gaben bei Fra Angelico jenes Fresko in Auftrag, das die Episode mit dem leeren Grab darstellt. Ich verstehe mich genug auf die Kunstgeschichte, um zu verstehen, daß eine solche Malerei den Bericht des Evangeliums „veranschaulicht“, und um die Codes des Programms ausmachen zu können, die für diese Epoche wie für diese Art von Frömmigkeit typisch sind. Ich habe genug exegetische Schriften gelesen, um zu wissen, daß diese Episode nur ein spätes Elaborat ist, das sie zu den Rationalisierungen gehört, die die Botschaft verdunkeln, indem sie sie verdeutlichen wollen. Die Bedingungen des Nichtglückens haben dieses bewundernswerte Fresko für mich, den einfachen Touristen, der heute diese schmale Zelle betritt, so vollständig überlagert, daß ihr Sinn verloren ist. Mir bleibt nur noch, mich meines ästhetischen Vergnügens und jenes weniger lebhaften zu erfreuen, mit dem ich überprüfe, ob meine historischen Kenntnisse auf diesen spezifischen Fall „zutreffen“. Und doch, je länger ich mich in das Bild versenke, desto mehr Risse stellen sich nach und nach ein, desto mehr visuelle Sonderbarkeiten weist es auf: Die heiligen Frauen kommen am Grab an, sehen aber nichts, es ist leer; ein Engel sitzt da, weist mit einer Hand in das leere Grab und mit einem Finger der anderen auf die Erscheinung des auferstandenen Christus, der die Märtyrerpalme und das Heilsbanner trägt – aber diese Erscheinung können die Frauen nicht sehen, weil sie ihr den Rücken kehren. „Er ist nicht mehr hier“, sagt der Engel auf dem Spruchband. Wo ist er also? Worum geht es also bei dieser weltbekannten Illustration eines unendlich abgedroschenen Themas?
Ein betender Mönch, dessen Körper halb im Rahmen verschwindet, als Teile er mit mir den Boden der Zelle und als habe man ihn auf das Fresko projiziert, schaut mit gesenktem Blick auf die gesamte Szene, ohne irgend etwas zu sehen. Der Maler muß ihn hier angebracht haben, damit seine Gestalt mir den Übergang erleichtere, indem er mich tiefer in diese seltsame Geschichte hineinzieht, in der keiner der Dargestellten unmittelbar sieht: weder die Frauen, noch der Engel, noch der Mönch – noch folglich ich selber. Und doch bin ich der einzige, der hinter allem die gemalte Erscheinung Christi sieht. Aber sie ist eben nur gemalt – ein feiner, fragiler Film von Pigmenten.
Was sehe ich? Auch hier ereignet sich nichts, was es zu erfassen gäbe. Der Finger des Engels zeigt es mir: „Er ist nicht mehr hier, er ist nicht mehr in diesem toten Fresko, in dieser Zelle, die so kühl ist wie ein Grab.“ Ich war ein wenig verloren: Es gab nichts zu sehen. Ich bin erlöst: Ich verstehe den Sinn der Episode. „Er war tot, er ist auferstanden“: Nicht dort in der Vergangenheit ist der Sinn zu suchen, sondern jetzt, für mich, hier.
Was stellt dieses Fresko eigentlich dar, was repräsentiert es? Dieses transitive Verb läßt zahlreiche Objektergänzungen zu: die Szene des leeren Grabes; die dominikanische Frömmigkeit; das Talent Fra Angelicos oder seiner Schüler; die Arbeit an der Konservierung und Präsentierung der historischen italienischen Kulturgüter. Aber was repräsentiert es noch? Eine in das Vergangene eingelassene Botschaft, die besagt: „Vorsichtig, folgendermaßen ist das zu lesen. Habt acht. Es geht keineswegs um Darstellung. Schaut nicht in diese Richtung. Er ist nicht mehr hier. Seht, wohin man ihn gelegt hat.“ Dem legendären Bericht (im Sinn einer Erfindung) ist eine weitere Legende (im Sinn einer Gebrauchsanweisung) hinzugefügt. In das Thema ist etwas eingelassen, was mit ihm bricht, es kompliziert, verwandelt, verklärt, unähnlich macht, jedem gewöhnlichen Gebrauch, jedem ästhetischen, gelehrten, informierten, historischen Konsum entzieht. Durch eine Reihe winziger Erfindungen, kleinster Deplatzierungen, visueller Nachhilfen, Malspuren, reinterpretiert das Fresko den Text, der sich seinerseits aus anderen Erfindungen, Elaboraten, Unwahrscheinlichkeiten, Interpolationen, Seltsamkeiten zusammensetzt, die beide – den Text, der andere Berichte aufnimmt, und das Fresko, das ihn veranschaulicht – dazu befähigt, etwas ganz anderes zu bezeichnen, als sie explizit behaupten.
An die Stelle der Longitudinalserie der Darstellung läßt meine Meditation nach und nach eine Transversalserie treten, die ebenfalls repräsentiert. Aber was? Was repräsentiert sie denn? Ja, buchstäblich ist es zu nehmen, genau so: Sie re-präsentiert, aber dieses Mal als intransitives Verb ohne Objektbegrenzung: Sie macht wieder präsent, und damit verwandelt sich die Geschichte, die mir auf den ersten Blick, beim Betreten der Zelle, zeitlich und räumlich unendlich entfernt schien. Wenn der Gegenstand des Freskos nicht hier ist, im Grab, und wenn er auch nicht entfernt ist, in der Vergangenheit, dann ist er präsent, von neuem hier, vor meinen Augen. Endlich sehe ich klar, und was ich sehe, ist nicht leer, sondern erfüllt. [151–155]
Die Erfindung einer neuen Form muß nicht unbedingt gefährlich sein, sofern sie genügend Hinweise darüber einschließt, wie sie aufzufassen ist. In dem Augenblick, in dem ich die piktoralen Erfindungen Fra Angelicos, mit denen er die abgenutzte Episode vom leeren Grab wieder ergreifend zu machen versucht, verstehe ich auch, was für eine Energie, was für ein Glaube, was für eine Theurgie bewirken konnte, daß ein echter Jünger irgendwann im Verlauf des ersten Jahrhunderts den Bericht vom leeren Grab hinzufügte, mit dem er das ältere Korpus der Leidensgeschichte ausschmückte, um es wahrheitsgetreu zu kommentieren, jawohl: wahrheitsgetreu, nämlich durch eine so frappierende wie fromme Erfindung. Die wahrheitsgetreue Erfindung: Endlich nähere ich mich der Quelle, dem modus operandi aller Berichte. [158f.]
Es gibt keine wahre Metasprache, wir wissen es wohl, keine Norm, keinen Maßstab: die abgeschmacktesten Sätze und die elaboriertesten, die altehrwürdigsten und die neuesten, die rührendsten und die kältesten können gleichermaßen zutreffen oder lügen – das hängt einzig von ihrer Fähigkeit ab, bei ihren Adressaten augenblicklich zu bewirken, was sie sagen. Die Bedingungen des Glückens, der Klang, die Tonart, der Rhythmus sind von der verwendeten Form fast ganz unabhängig, da es sich um etwas anderes handelt, das sich immer über die Disparitäten, die Unwahrscheinlichkeiten, die Risse in die Botschaft schiebt.
In der Religion wie im Klang ist alles angängig. Aber wenn es keine richtige Metasprache gibt, dann gibt es auch keine schlechte oder ungeeignete. Die einzige Frage ist die, wie sich die Qualität der Formulierung unterscheiden [kann] und sich durch diese kritische – jawohl, kritische, logische und auf ihre Weise sogar rationale – Unterscheidung mit allen anderen Sinneseinheiten verbinden kann, dank deren andere, die zu Mitgliedern desselben Volkes wurden, zu anderen Zeiten und an anderen Orten dasselbe mit anderen Ritualen ausdrücken wollten.
Die Frage besteht nicht darin, ob man den religiösen Menschen gefallen soll oder nicht, ob man den Ungläubigen schmeicheln soll oder nicht, sondern darin, ob durch die Unterscheidung zwischen guten und schlechten Übersetzungen das virtuelle Volk, die „Gemeinschaft der Heiligen“ neu entsteht, die Gemeinschaft derer, die nachträglich die Wahrheit aus den von den Lebenden wiederholten Worten herausholt und versteht – denn die Lebenden erzählen, nicht die Toten. Dies ist der einzige Prüfstein, die einzige Gelegenheit, bei der „Alles ist wahr“ in „Alles ist falsch“ umkippt oder nicht – ja, es ist der einzige kairos. [220ff.]